Manch ein Tourist oder Neuankömmling in Berlin steht vor einem Bahnhofseingang und wundert sich, wieso die Öffis in der Hauptstadt mal eine „U“ und mal eine „S“ auf der Stirn tragen. Die Unterschiede zwischen der S-Bahn und U-Bahn sind wohl auch nur wenigen klar, dabei existieren diese nicht nur objektiv auf dem Papier, sondern auch subjektiv, in den Köpfen vieler Fahrgäste. Wer in Berlin die Dienste der ÖPNV* in Anspruch nimmt, braucht vor allem eins: Geduld. Und eine ganze Menge Gelassenheit.

S- und U-Bahn: Was sind die Unterschiede?

Objektiv gesehen unterscheiden sich die Berliner U-Bahn und S-Bahn nicht nur in der Farbe der Züge, sondern auch in den Eigentumsverhältnissen. Während die U-Bahn den BVG – den Berliner Verkehrsbetrieben – gehört, ist die S-Bahn ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn. Die U-Bahn fährt nur innerhalb Berlins, die S-Bahn bindet dagegen auch das brandenburgische Umland an. Die U-Bahn hat 173 Bahnhöfe und zehn U-Bahn-Linien mit 146 Kilometer Gesamtlänge. Die S-Bahn betreibt 16 Linien, die 166 Bahnhöfe bedienen und auf 331,5 Kilometern fahren, davon befinden sich rund 75 Kilometer und 33 Bahnhöfe im Land Brandenburg. Die subjektiven Unterschiede sind allerdings viel spannender und betreffen hauptsächlich die Pünktlichkeit, die Fehleranfälligkeit, die Corporate Identity und den Abenteuer-Level.

U-Bahn: „Das Muster kennen wir“

Steigst du in einen der gelben Züge der U-Bahn, erwartet dich eine mehr oder weniger zuverlässige Fahrt von A nach B in markanter Begleitung der gesprenkelten Sitzbezüge. Deren psychedelisches Muster säumt nicht nur die Polsterung der BVG-Wagons, sondern auch Babylätzchen, Badeshorts oder Brillenetuis, die man allesamt in dem – für mobile Geräte noch nicht optimierten – Webshop der BVG bestellen kann. „Die Sitzbezüge haben seit Anfang der 1990er Jahre das gewöhnungsbedürftige Muster aus einem praktischen Grund: Schmierereien lohnen sich nicht, denn sie werden darauf nicht erkannt. So kann die BVG die Kosten für Reinigung und Reparatur senken. Das Muster fällt auf und das nutzt die BVG zu Marketingzwecken für ihre Merchandise-Artikel“, erklärt Simon Hüther, Mitarbeiter der BVG-Pressestelle. Aus der Not eine Tugend machen: Das „gewöhnungsbedürftige“ Muster zum verquer coolem Design werden zu lassen - die Berliner Verkehrsbetriebe haben gewiefte PR-Berater, keine Frage.

S-Bahn: Die Fahrt ins Ungewisse

Betrittst du ein Fahrzeug der S-Bahn, musst du auf solch gewöhnungsbedürftige optische Highlights wie die BVG-Sprenkel verzichten, nicht aber auf aufregende Abenteuer voller emotionaler Momente. Die letzteren sorgen nicht immer für wohlige Erinnerungen, aber zuverlässig für Adrenalinbäder. 2016 sind fast 54.000 S-Bahn-Züge nicht nach Fahrplan gefahren. Regelmäßige, seitens des Bahnführers kommentarlos gelassene Zwischenstopps in einem unterirdischen Nirwana oder einer oberirdischen Pampa gehören dabei noch zu den harmlosen Erlebnissen. Viel spannender sind die in umgekehrter Reihenfolge laufenden Stationsansagen: Während die Hauptstädtler müde lächeln und sich, oft fatalistisch drauf, ihrem Schicksal ergeben (sie erkennen die Stadtpanorama aber auch trotz falscher Ansagen), geraten Touristen, frisch angekommene Wahl-Berliner und Immobilien-Scouts in emotionale Aufruhr: Das Bewusstsein, den Fernsehturm oder das Brandenburger Tor zu verpassen, weil man in die falsche Richtung fährt, lässt viele erschauern. Die Berliner S-Bahn weiß, ihre Fahrgäste auf Trab zu halten, auch mit den zahlreichen Störungen an Signalen, Weichen und Bahnübergängen. Beliebt sind auch Bahn-Ausfälle wegen Polizei- oder Notarzteinsatz. Ganz offensichtlich erkranken die Berliner mit Vorliebe in oder vor den Zügen und geraten eben dort in Konflikt mit dem Gesetz.

S- und U-Bahn: Was sind die Gemeinsamkeiten?

Unabhängig davon, ob du in der U- oder S-Bahn sitzt, wird deine Fahrt des Öfteren von Musikanten oder „Strassenfeger“-Verkäufern begleitet. Die ersteren sorgen für eine meist mittelmäßige musikalische Untermalung. Die letzteren bringen die Straßenzeitung der Obdachlosen unters Volk. In den hoch frequentierten Bahnlinien geben sich die Überlebenskünstler beider Gruppen meist die Klinke in die Hand, was in der Regel auf hartnäckige Gleichgültigkeit der abgebrühten Fahrgäste stößt. Sie bescheren den Passagieren bisweilen aber auch amüsante bis angenehme Momente – je nach eigenen rhetorischen oder musikalischen Fähigkeiten.

Die Öffis: Berlin ist anders

Vorteile

  • Du kannst dein Fahrrad ganztägig (aber nicht kostenlos) in die S- oder U-Bahn mitnehmen. In anderen Städten ist die Radmitnahme nur außerhalb der Stoßzeiten erlaubt.
  • Wenn du die VBB-Umweltkarte hast, kannst du montags bis freitags nach 20 Uhr und am Wochenende sowie an Feiertagen einen Erwachsenen und bis zu drei Kinder kostenlos mitnehmen.

Nachteile

  • Ziemlich nervig bleiben die recht willkürlich verstreuten Stempelautomaten – an diesen läufst du schon mal gerne vorbei und verpasst deinen Zug, wenn du wieder kehrt machen musst. Wie schön das Fahrgast-Leben wäre, wenn man die Tickets direkt im Zug entwerten könnte.
  • Wegen der häufigen Ausfälle und Verspätungen sollst du vor wichtigen Terminen genügend Zeit einzuplanen. Lade dir auf jeden Fall die BVG-App herunter – sie zeigt dir alle Unregelmäßigkeiten an.

*Öffentlicher Personennahverkehr